Beitragsbild: 1. Bild v.li.: BB, 2. Bild: Attila Yesil, 3. & 4. Bild: Farouk Systems…
Zehn Prozent (!) der sieben Millionen Deutschen über 16 Jahre sind tätowiert, fand eine Gfk-Studie heraus.
„Tattoos sind nicht mehr die Ausnahme, sie sind ein Massenphänomen!“, meint Dr. Klaus Hoffmann.
Tattoos können aber auch aus der Mode kommen, dann stellt sich die Frage: Mit einem anderen Tattoo covern, oder doch lieber weglasern? Das schließt sich heute nicht mehr aus: Möchte man zum Beispiel hellere Farben als im ursprünglichen Tattoo haben, ist eine Laserung vorab eine gute Idee. Nicht nur deshalb war der Austausch zwischen Tätowierern und Ärzten noch nie so wichtig wie heute.
„Daher habe ich 2014 zusammen mit Thomas Sembt (Netzwerk DocTattooentfernung.com) die Tattoo-Tagung ins Leben gerufen“, berichtete Dr. Hoffmann. 2017 fand sie zum dritten Mal statt.
Zur Tagung kamen am Samstag die besten Tätowierer, Permanent-Make-up- (PMU) und Pigment-Spezialisten und die renommiertesten Ärzte und Laser-Experten zur Hautklinik des St. Josef Hospitals in Bochum.
Um 9:30 Uhr begrüßte Dermatologe und Laser-Spezialist Dr. med. Klaus Hoffmann die 300 Gäste und Experten, die aus allen Teilen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz angereist waren.
Randy Engelhard: „Cover-Up“-Tattoos
Gespannt erwartet wurde der Vortrag zu Tattoo-Korrigier-Arbeiten, „Cover-up“ genannt. Hierbei wird über ein
misslungenes, oder nicht mehr gewolltes Tattoo ein neues Tattoo-Motiv gestochen. Die Kunst dabei ist, dass das alte Tattoo gar nicht mehr zu sehen ist.
Der Redner war kein Geringerer als der internationale Star-Tätowierer Randy Engelhard.
Bekannt auch durch verschiedene Tattoo-TV-Formate, wie „Pain & Fame“ und „Horror Tattoos“. Engelhard zeigte auf der Tattoo-Tagung 2017 seine eigenen „Cover-Up“-Arbeiten.
„Am schwierigsten finde ich die Ideenfindung, weil es ja nicht möglich ist, ein dunkles Tattoo mit hellen Farben zu covern.“
Deshalb ließen sich mittlerweile viele Korrigier-Willige ihr Tattoo zuvor mit einer Laserung aufhellen.
Für ein klassisches Cover-up verlegt Engelhard immer den Fokus des Tattoos, außerdem ist das ursprüngliche Tattoo bei ihm etwa ⅓ – ⅕ so groß, wie das Cover-up. Für die Korrigier-Arbeiten nimmt sich Engelhard einen Tag Zeit, Tagessatz: 1500 Euro.
Andy Engel: Brustwarzen-Pigmentierung
"Er gehört zu den zehn besten Tätowierern weltweit."
…DAS sagt Dr. Hoffmann über Tattoo-Szenen-Star Andy Engel. Der zeigte seine Arbeiten zu dreidimensionalen, fotorealistischen Brustwarzen-Rekonstruktionen (BWK) durch Pigmentierung.
Er sei seit zehn Jahren darauf spezialisiert und arbeite mit verschiedenen Kliniken und Brustkrebszentren zusammen, berichtete das Tattoo-Idol. Schwierig finde er besondere Hautbegebenheiten:
„Oftmals transplantiert ein Operateur für die BWK beispielsweise Gewebe vom Augenlid, das schwillt dann bei der Pigmentierung sehr schnell an.“
Eine BWK dauere je nach Schwierigkeitsgrad zwischen eineinhalb bis drei Stunden. „Auch vernarbtes Gewebe zu tätowieren ist schwierig“, so Engel. Problem dabei: Narben von Brustkrebs-OP´s verlaufen häufig direkt durch den Warzenhof.
Wiederholt wurde aus dem Publikum nach BWK-Schulungen durch Engel gefragt. Engel erklärte, er entwickele zur Zeit ein Schulungssystem mit Zertifizierung für fotorealistische Tätowierer. Denn:
„Ich sehe in letzter Zeit immer mehr qualitativ minderwertige Arbeiten – und das geht gar nicht.“
Man merkte ihm die Wut darüber an: Aufgrund von schlechten Arbeiten sträubten sich zudem neuerdings wieder die Krankenkassen (KK) bei den Kostenübernahmen, was bitter für die Patientinnen sei, berichtete Engel. Eine BWK koste etwa 830 Euro pro Seite, wie viel die KK übernehme, sei aber unterschiedlich: „Von 340-, bis 680 Euro habe ich schon alles gehört.“
Michael Dirks: Crazy Farben-Lehre
Den witzigsten Vortrag hielt Tätowierfarben-Experte Michael Dirks. Er erklärte den Aufbau von Tattoo-Ink und den Unterschied zu PMU-Farben.
Das machte er anhand einer Skizzen-Zeichnung, die eindeutig nach männlichen Genitalien aussah, wie das Publikum einstimmig angab.
Er versuchte es noch mal seriös und stellte „Conclusio“-Farben vor, die im Gegensatz zu Industrie-Tätowierfarben zwar teurer, aber auch viel reiner seien; Industriefarben: 65-85%, Conclusio-Farben: 95-99,9%.
Dann ließ er aber am Ende die Hose runter und zeigte grinsend seine Tattoos – der Saal tobte.
Micropigmentierung mit Sara Pavo
Medical Beauty, PMU- und Blading-Expertin Sara Pavo zeigte, wie sie zum Beispiel Frauen, denen aufgrund einer Krankheit keine Augenbrauen-Härchen mehr wachsen, natürliche Augenbrauen beispielsweise mit der „Stardust“-Technik tätowiert/ bladet. „Diese Technik ist quasi eine feine Punkt-Tätowierung, die aussieht wie akkurat aufgetragener Augenbrauen-Puder.“
Gestaunt und kräftig applaudiert wurde auch bei einem Bild von zusammengewachsenen Zehen, die nach einer PMU-Technik mit Schattierungen so aussahen, als wären sie operativ getrennt worden. Auch wenn dies keine persönliche Arbeit von Pavo war, vermittelte sie, wie sehr sie ihre Arbeit erfüllt. Sara Pavo ist 2017 bereits zum zweiten Mal für „Gloria- Deutscher Kosmetikpreis“ nominiert. Als Nominierte darf sie ihr Institut bereits zu den besten in Deutschland zählen.
Urban Slamal: Professionalisierung
„Früher waren Tattoos Rock n’ Roll, heutzutage sind sie …hygienisch sauber.“
Anwalt Urban Slamals Auftritt war ein Highlight der diesjährigen Tagung. Slamal stieß eine Diskussion über Vorgaben zur Studioeröffnung und regionale Unterschiede an. Er sprach aber auch über die Professionalisierung der Branche und den nötigen Wandel der Szene.
Er mahnte zu Zusammenhalt: „Bisher ist es doch so, dass jedes Tattoo-Studio sein eigenes Süppchen kocht.“ Um die gesellschaftliche Abwertung von Tätowierten zu durchbrechen, müsse aber der Zusammenhalt der Szene gestärkt werden. In seinem leidenschaftlichen Vortrag klärte er außerdem über das anhaltende Wachstum der Szene auf:
„Vor zwei Jahren hat man zum Beispiel in Berlin 700 Tattoo-Studios gezählt, jetzt sind es bereits 1200, offiziell!“
Psycho-Tattoos mit Prof. Dr. Erich Kasten
Prof. Dr. Erich Kasten hat neben internationaler Publikationen 2006 das Buch „Body Modification“ (Reinhard-Verlag) herausgebracht. Er berichtete, dass man Tattoo-Trägern heutzutage noch immer Vorurteile entgegen bringt, das gilt insbesondere für stark modifizierte Personen. Tätowierer Jens Pütz, selbst umfangreich modifiziert, nannte mir gegenüber ein Beispiel:
„Anderen wird das Wechselgeld in die Hand gegeben, bei mir stattdessen auf den Tresen gelegt.“ Dies komme häufig vor (!)
Interessant: Prof. Kasten wies darauf hin, dass Tattoos durchaus auch eine therapeutische Wirkung haben können und nannte verschiedene Beispiele: Ängstliche oder schüchterne Menschen wurden durch Körperschmuck selbstbewusster; manchen helfen Tattoos dabei, sich aus ihrer Abhängigkeitserkrankung zu befreien oder aus der Kriminalität zu verabschieden. Andere verarbeiten tiefe Traumata mit den Körperbildern. „Die therapeutische Kraft von Tattoos wird häufig unterschätzt“, so der Psychologe.
Aufklärung durch Dr. med. Klaus Hoffmann
Über Wundheilungen, Nachsorge, Allergien und alles Wissenswerte über Tattoos, dass Tätowierer UND Ärzte wissen müssen, klärte Dr. Klaus Hoffmann auf. Aktuell interessant: Für Personen, die sich kurzentschlossen (beispielsweise an Karneval ;-) ) ein miserables Tattoo haben stechen lassen, gebe es Hoffnung:
„Umso frischer ein Tattoo ist, umso schneller können wir die Farbe aus der Haut lasern.“
Im von ihm aufgebauten Laserzentrum NRW (spezialisiert auf Tattoo-Entfernung) würden täglich bis zu 50 Personen gelasert, so Hoffmann. „Zur Tätowierungsentfernung setzen wir Picosekundenlaser ein.“
„So ein moderner Laser kostet schnell bis zu 300.000 Euro.“
Diese Laser schädigen mit viel Energie, aber in so kurzer Zeit die Tattoopartikel, dass keine Verbrennung mehr stattfinde. Die körpereigenen Fresszellen „verdauen“ dann sozusagen die zerlegten Pigmente, erklärte Dr. Hoffmann weiter.
Dr. rer.nat. Fedor Mayorov zeigte die Unterschiede zwischen High-End-Lasern und Billig-Geräten aus Fernost auf und wie in diesem Bereich geschummelt wird. Noch tiefer ins Thema ging es mit Dr. med. Matthias Bonczkowitz: „Tattooentfernung mit Piko- vs. Nanosekundenlasern- was gibt es Neues auf dem Markt?“
In den Pausen konnten sich die Gäste an vier Ständen über neue Laser-Technik, oder über Pflege für tätowierte Haut informieren.
La Roche Posay…
…stellte das neue „Cicaplast Baume B5 LSF 50“ vor: Fünf Prozent Panthenol beruhigt und pflegt wunde und gereizte Haut. Zudem ist es antibakteriell und entzündungshemmend, sowie ohne Parabene, Duftstoffe oder Lanolin. Damit sei es für empfindliche Haut geeignet. „Cicaplast Baume B5 gibt es seit bestimmt zehn Jahren, aber jetzt im April kommt das weiterentwickelte Produkt heraus“, erklärte Wolfgang Krüger von La Roche Posay. Der Unterschied:
„Wir haben es mit Mexoryl, einem umfangreichen UVA/UVB-Filter, Lichtschutzfaktor 50, kombiniert. So bleiben neue und auch alte Tattoos trotz UV-Strahlung schön.“
Cicaplast Baume B5 LSF 50 wurde extra auf tätowierter Haut getestet.
So ging es weiter:
Da die Fragerunden an die jeweiligen Redner gut gelaunt ausgereizt wurden, lief die Tagung etwa zwei Stunden länger als geplant. Nach Ende der Veranstaltung wurde trotzdem weiter im Foyer zwischen Medizinern und Tätowier-Experten diskutiert.
Info: Die nächste „Tattoo-Tagung“ ist für 2019 geplant. Der Eintritt lag 2017 bei 50 Euro pro Person. Verbands-Mitglieder von BVT und DDL erhielten 10% Rabatt. Für Studenten war der Eintritt kostenlos. Mediziner konnten sich Fortbildungspunkte für die Veranstaltung gutschreiben lassen.
Ich bin begeistert über diesen Bericht. Randy ist ein super super tätowierer, ich habe so viele Cover ups von Ihm gesehen und Porträts. Er ist einfach unglaublich. Da hat der Preis wirklich Qualität und ich persönlich würde mich von keinem anderen als Randy tätowieren lassen, wenn es um Tattoos geht. Meine Freundin Alessandra hatte einen Termin bei ihm auf der Tattoo Messe. er hat ein Soldatenbild ihres Vaters gestochen als Cover up… ich war einfach sprachlos. Super, dass du darüber schreibst Alexa!!!! Tattoos sind Kunst, die heutzutage leider noch nicht ganz so akzeptiert ist – trotz der Vielzahl an tätowierten Menschen. Mich hat der Hype durch meinen freund gepackt, er hat Tattoos im Gesicht und an den Händen und überall – mir persönlich ist das zu krass, aber ich fange auch an meinen Körper zu gestalten wie ich will…. MAN HAT NUR EIN LEBEN UND DAS UM ES ZU LEBEN!